Laudatio von Prof. Peter Weiermair
zur Verleihung des Volker-Hinniger-Preises
und Eröffnung der Ausstellung „Ihre Welt“,
Villa Dessauer, Museen der Stadt Bamberg, im April 2011


(...)Der Titel „Ihre Welt“ bezieht sich nicht nur auf ihre Welt, die der Künstlerin,
sondern auf die Aneignung der Welt der anderen(...) Wie eine ganze Reihe ihrer
Zeitgenossen steht Anke Armandi in der Fülle der den heutigen Künstlern zur Verfügung
stehenden Medien (technischen und traditionellen), sie ist nicht nur Malerin, sie ist
auch Schauspielerin, sie vernetzt sich mit anderen Künstlern. Das ist eine Sache, die
aktuell ist, diese Kooperation auf verschiedenen Ebenen. Dies betrifft aber auch die
Ikonografie ihrer Bilder. Wenn ich von den verschiedenen Erscheinungsformen der
Künstlerin Anke Armandi spreche, dann darf man ihre Tätigkeit als Schauspielerin nicht
vergessen, ihre Identität als Prostiuierte Renadde, die sie für den Filmemacher Ludwig
Wüst angenommen hat. Diese Figur ist jedoch nur ein Teil von ihr selbst, wie man der
Installation „Renadde privat“ entnehmen kann, wo sie sozusagen eine Fiktion aufbaut,
aber in diese Fiktion geht sie immer wieder hinein, ist immer Teil dieser Fiktion.
Dieses Spiel setzt sie fort in ihren Künstlerporträts wie denen von Klaus Maria Brandauer
und Peter Kubelka, diesem großartigen Koch- und Lebensmittelphilosophen. Identität
und Erforschung des selbst und des anderen sind Stichworte ihres Werkes und ihres
Verhaltens. Dass sie dazu nicht Video oder Fotografie, sondern das klassische Medium des
Aquarells entdeckt, ist hinterhältig, d.h. immer dann, wenn man diese
„Selbstporträtlandschaften“ sieht, suggerieren sie einem das Foto, das es dazu gibt. Sie
ist aber nicht an der Fotografie und ihrer Ästethik interessiert, sondern sie hat
von der Verlangsamung der Malerei gesprochen, die auch in der Rezeption eine Langsamkeit
erfährt, d.h. wenn Sie sich jeweils in die Situation eines Künstlers vertiefen,
gibt es auch in der künstlerischen Rezeption einen zeitlichen Unterschied zur Fotografie.
In den Medienbildern geht es ihr darum, mit einer Intimität etwas Öffentliches
auszusagen. Sie eignet sich die Fotos von Beirut beispielsweise aus Zeitungen, dem
Fernsehen, an. Anke Armandi ist eine Erzählerin. Je länger Sie sich in ihre Bilder
vertiefen, entdecken Sie immer wieder neue Geschichten, das sind ihre Geschichten.
Armandi erzählt also in einer Hierarchie der Geschehnisse oder Objekte: Geschehnisse
in den Medienbildern, Objekte in den Ateliers, in denen die Künstler nicht anwesend sind.
Als ich diese zarten Arbeiten zum ersten Mal sah, dachte ich eigentlich an die Werke von
Clemente, Hockney, Blake, an englische Künstler. Aber mein Freund Leander Kaiser hat
etwas sehr Wichtiges und Wahres über Armandis Bilder gesagt: „Wie für andere Künstler
und Künstlerinnen ihrer Generation ist der Zugang für Anke Armandi die eigene
Lebenswelt. Aber Freunde, Wohnräume, Ort, Dinge werden nicht gemalt, um Porträts,
Interieurs, Landschaften, Stillleben zu produzieren (wie großteils noch im
20.Jahrhundert), sondern um der Deutung und Kommunkation eines eigenständig Biografischen
willen.“
Diese Aneignung ist ein ganz entscheidender Prozess. Armandis Malerei und die
Beschreibung ihrer Welt ist Produkt einer Zusammenarbeit mit anderen Künstlern, nicht
nur des Filmemachers Ludwig Wüst, aber besonders bei den Arbeiten der Künstler, denen
sie freundschaftlich verbunden ist, treffen wir auf ein Netzwerk von Beziehungen, die
sich im finalen Werk als eine Installation von Ton, Text und Bild finden. Das Miteinander
der unterschiedlichen Medien und ihre Verschränkung ist ein wesentliches Zeichen
ihrer Kunst. Lassen Sie sich nicht täuschen von der lieblichen, wunderbaren Transparenz
ihrer Bilder. So auch , indem sie Künstlerin Casaluce/Geiger einbezieht, die Fotografen
von Backstagesituationen gemacht hat, wobei der durchlaufende Text auf ihren
Arbeiten ein Ausdruck eines Virus ist.
Es sind eben nicht klassische Aquarelle, sondern die flüchtigen Oberflächen, bei denen
die Personen der Handlung ausgespart bleiben. Es sind Dokumente von tiefer liegenden
Verbindungen. die der Künstlerin wesentlich sind. In diesem Netzwerk, in dieser
Kooperation und in der Entscheidung mit einem klassischen Medium ganz aktuell zu sein,
liegt zum Teil ihre biografische, vor allem aber ihre ästhetische Bedeutung.